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K4 fabrik - Performance 27.11.2004, 20:00 Uhr

ZEITGLEICH - ZEITZEICHEN
Standort - Impulse

Multimedia - Performance

Claudia Brieske
Beate Garmer
Elvira Hufschmid
Stoll & Wachall

In der Abfolge der einzelnen Aktionen, die teilweise gleichzeitig stattfinden, beziehen die Künstlerinnen eigene Positionen.

Standort und Impuls sind zwei Größen eines Gegenstandes, die jedoch nicht zur gleichen Zeit mit Genauigkeit festgelegt werden können, denn laut der Relativitätstheorie läuft der gleiche Vorgang in verschiedenen Bezugssystemen unterschiedlich ab. Man kann sich entweder der einen oder der anderen dieser Eigenschaften zuwenden, dem einen oder dem anderen Bezugssystem. Jeder Wahrnehmung liegt immer auch eine aktive, wenn auch meist unbewusste, Entscheidung des Wahrnehmenden zugrunde. Wir sind beteiligt an dem was wir sehen.

Die Performance vereinigt vier unterschiedliche künstlerische Positionen in einem nicht immer berechenbaren Zusammenspiel, das dem Betrachter vielfältige Möglichkeiten der Lesart bietet. Das verbindende Element ist die Bewegung im Raum, die Markierung von Standorten und das Aufnehmen von Impulsen.

 

WAHRNEHMUNGSSTÖRUNGEN

von Horst Gerhard Haberl

Die an sich undarstellbare Differenz aus "Standort" und "Impuls" zumindest flüchtig anschaulich zu machen, ist das gemeinsame Ziel der fünf Medienkünstlerinnen, die eine ehemalige Fabrikationshalle der Alten Baumwollspinnerei in St. Ingbert zu einem temporären Therapiezentrum für Wahrnehmungsbehinderte umfunktioniert haben. Ihre therapeutischen Mittel beziehen sie aus ihren unterschiedlichen künstlerischen Positionen. Sie inszenieren Störfälle an der Schwelle des noch real Wahrnehmbaren, markieren die instabilen Nicht-Orte unserer durch teleoptische und teleakustische Informationstechniken ver- bzw. entrückten Scheinwelten, entwerfen die Nähe und zugleich Ferne einer Innenwelt der Außenwelt bzw. deren Umkehrung. Sie entschlüsseln das Paradoxon des rasenden Stillstandes an Beispielen der Immobilität ferngesteuerter Handlungsabläufe und entführen das Publikum aus dem bisher sichtbaren Horizont in den von Paul Virilio so genannten "hindurch-sichtbaren" Horizont, d.h. den letzten Horizont der Sichtbarkeit, der das Ergebnis der digital generierten optischen (und akustischen) Verstärkung der natürlichen Umwelt des Menschen ist.

Den für unsere Gegenwart charakteristischen Boden ohne Haftung demonstriert Claudia Brieske mit ihren wörtlich zu nehmenden Auftritten über eine Art Impulsechoverfahren, das minimal zeitverzögert den elektroakustisch verstärkten Schall ihres Aufstampfens mit dem Fuß auf Teile der gusseisernen Tragekonstruktion der Halle sensorisch überträgt, diese über Lichtimpulse erzittern lässt und damit scheinbar ins Wanken bringt. Um die vielschichtigen Phänomene der nur mehr scheinbaren Mobilität einer immobilen Tele-Gesellschaft sinnlich nachvollziehbar zu decodieren, lässt Elvira Hufschmid ein ferngesteuertes, mit einer Miniaturkamera bestücktes Miniaturauto weitläufig im Raum platzierte Miniaturfiguren abfahren und deren dabei wechselnden Größenverhältnisse ablichten. Die derart bewegten Momente permanent veränderter und veränderbarer Perspektiven, die Austauschbarkeit von Nähe und Ferne werden aber erst in der gleichzeitig ablaufenden Grossbildprojektion "wirklich" erfahrbar. Den Verstärkereffekt einer "Double Extension" aus dem fiktiv-autobiografischen Album des Duos Klaudia Stoll & und Jacqueline Wachall setzt in lustvoller Überzeichnung das live wie virtuell übertragbare Alltagsleben doppelter, besser gesagt, unendlich variierbarer Identitäten und Handlungsabläufe in Szene: Ein von den beiden (in wechselnden Kostümierungen agierenden) Darstellerinnen durch die Halle gerolltes Baugerüst, das als optische Projektionsfläche für lasziv-doppeldeutige Gucklochbilder und als akustischer Projektionskörper, aber auch als Requisitenlager den jetzt real auszumachenden hindurch-sichtbaren Horizont (wie eine wahrnehmungsfördernde Hilfskonstruktion) verkörpert. In diesem Verwirrspiel simultaner Auftritte und Abgänge kurvt Beate Garmer als "blinde" Skaterin durch diesen permanent wechselnden Ereignishorizont. Sie kann im Gegensatz zu ihrem auf einem fahrbaren Untersatz installierten, virtuell aufgezeichneten Monitor-Double als "sehende" Skaterin nur ihren inneren Impulsen folgen oder durch äußere Einwirkungen (etwa durch Zugriffe oder Zurufe aus dem Publikum) aus der Enge ihrer sinnlichen Einschränkung entkommen. Aber eine Spionkamera über ihren verbundenen Augen überträgt den spontanen Blick des durch sie bewegten Raumes...

Allen Projekten gemeinsam ist einerseits der Prozess der Verschmelzung von voraus aufgezeichneten Ereignissen und der live am "Standort" gesetzten "Impulse", die den Standort zum Ort des Nicht-Orts einer Teleaktion machen. Andererseits eröffnet das hier augen- und ohrenscheinliche Aufzeigen der Schnittstellen zwischen dem sichtbaren und dem hindurch-sichtbaren Horizont einen wesentlichen therapeutischen Schritt zu einer differenzierteren Wahrnehmung unserer mittlerweile informationstechnisch verstärkten, aber dadurch nicht immer wirklich erweiterten Welterfahrung.