Moritz Götze
Moritz Götze - Biografie
1964 in Halle geboren

1981-1983 Lehre als Möbeltischler
1983-1984 in mehreren Berufen tätig
1986 freischaffend
als Maler und Grafiker in Halle, Aufbau einer eigenen Grafikwerkstatt
1991-1994 Lehrauftrag für Serigraphie, Hochschule Burg Giebichenstein,
Halle
1994 Gastprofessur
für Serigraphie École Nationale Supérieure des Beaux
Arts, Paris
1995 Große
Wandgestaltung für den Lichthof des Messehauses Specks Hof, Leipzig
1999-2003 Gestaltung des Erscheinungsbildes der Leipziger Buchmesse
Ausstellungen (Auswahl)
1987 Galerie Schaufenster, Berlin
1990 Galerie Weißer Elephant, Berlin
1991 Galerie Axelrod, Boston USA
Galerie am Chamissoplatz,
Berlin
1992 Galerie Lang, Leipzig
Lindenau-Museum, Altenburg
Galerie Alvensleben, München
Galerie Lehmann, Dresden
1994 Galerie Schuster, Offenbach
Galerie Transit, Leuven/Belgien
1995 Staatliche Galerie Moritzburg, Halle
Kunstverein Würzburg
Galerie Sandmann + Haak,
Hannover
1996 Staatliche Galerie Moritzburg, Halle
Galerie Schuster &
Scheuermann, Berlin
Galerie Rothamel, Erfurt
1997 Deutsches Generalkonsulat, New York
Luckenwalder Kunsthalle,
Galerie Schuster &
Scheuermann, Berlin
1998 Galerie Ruta Corea, Freiburg/Breisgau
Galerie Schuster, Frankfurt/Main
Kulturbrauerei, Berlin
Stadtmuseum Siegburg
Galerie am Sachsenplatz,
Leipzig
1999 Stadtmuseum Dresden
Museum Schloß Mosigkau,
Dessau
Galerie Eickelmann, Essen
Galerie Sandmann + Haak,
Hannover
Mercedes Benz Manhattan
Inc., New York
Galerie Neue Kunst, Konstanz
Lindenau Museum Altenburg
Museum für Junge
Kunst, Frankfurt (Oder)
Galerie Schuster &
Scheuermann, Berlin
2000 Galerie Ruta Corea, Freiburg
Stadtmuseum Limburg
Galerie Rothamel, Erfurt
2001 Museum Bad Arolsen
Galerie am Sachsenplatz,
Leipzig
Galerie Schuster, Frankfurt/Main
Galerie Eikelmann, Düsseldorf
2002 Galerie Schuster, Frankfurt/Main
Galerie Schuster &
Scheuermann, Berlin
Kunstverein Rügen,
Puttbus/Rügen
Galerie Brehl, Schwerin
Galerie Sandmann + Haak,
Hannover
Kunsthalle Osnabrück
Kunstverein Friedrichshafen
Museum der Bildenden Künste,
Leipzig und Museum Folkwang, Essen "Wahnzimmer" (Beteiligung)
Bundeskanzleramt, Berlin,
"Kunst aus den neuen Bundesländern" (Beteiligung)
2003 New York University, "Neue Illustration" (Beteiligung)
Galerie Rothamel, Erfurt
Galerie Eikelmann, Düsseldorf
Kunst am Bau
1995 Specks Hof, Leipzig
1996 Telekom, Leipzig
1997 Sparkassenakademie, Potsdam
LVA Sachsen-Anhalt, Sellin/Rügen
1998 Krankenhaus Altenburg
Sparkasse Gelenhausen
Berufsförderungswerk
Halle
Sporthalle Berlin/Treptow,
Berlin
2000 Geschäftshaus Immo Concept, Erfurt
Bundesministerium für
Wirtschaft und Arbeit, Berlin
2001 Westdeutsche Immobilien Bank, Mainz
Europark Dreilinden, Potsdam
Skulpturenweg Eselsberg,
Ulm
Landesarbeitsamt Halle
(Saale)
2003 Sparkasse Gelenhausen Stadt Aalen
Moritz Götze - Werkbeschreibung
Staub kommt aus den unendlichen Weiten des Weltalls. Er sammelt sich
auf einem Planeten und bindet sich neu. Er hat sein Ziel gefunden. Der
Staub ist Träger einer Botschaft, eines Schlüssels, einer höheren
Weisung. Aus Feuer und Dreck entsteht Leben. Diese Ahnung ist ein Grund
aller religiösen und philosophischen Vorstellungen . Am Schluss des
Wunders steht der Mensch. In der Wohnung des Menschen steht ein Sofa.
Unter dem Sofa liegt Staub. Der wartet darauf, sich auf neue Reisen in
die unermesslichen Weiten zu begeben.
Die Struktur des Staubes ist das Rätsel. Die Faszination, die von
diesem Rätsel ausgeht, hat den Menschen dazu gebracht, das Elektronenrastermikroskop
und den Protonenbeschleuniger zu erfinden. Irgendwo in der Tiefe müssen
nach den letzten kleinen Teilchen, die noch Materie besitzen, die Partikel
stecken, die nur reiner, alles durchdringender Geist sind. Danach sucht
der Forscher. Dem Künstler reicht die Betrachtung des Hausmülls
mit bloßem Auge.
Müll ist ein irreführender Begriff, der von der breiten Masse
derer eingeführt wurde, die Schwierigkeiten mit ihren Gedächtnislücken
haben. Die kollektiven
Gedächtnislücken sind die Räume des Museums. Die Sammlung
dient der kreativen Reflexion . Wenn Moritz Götze in diesem Buch
seinen Zeichnungen Fundstücke seiner Sammlung zuordnet, so ist das
ein Verweis auf die Partikel, die den Mikrokosmos seines Arbeitsmaterials
beleben. Jeder sieht seine eigenen Geschichten. Das Museum hat ein Zimmer,
das heißt Raum für Interpretationen. Den kann jeder Besucher
nutzen, wie er will.
Es gibt den Vorschlag einer Geschichte, den Versuch, eine Rahmenhandlung
zu umreißen. Der Anfang ist Unordnung. Der Arbeitstisch des Künstlers
wird betrachtet durch die Sehhilfe Max Beckmanns. Irgendwo taucht ein
Maler auf, der einer verschlungenen Linie auf seinen Bildern hilft, ihren
Anfang wiederzufinden. Dass er dabei scheitert, verleiht dem Künstler
einen Heiligenschein aus purer Ironie.
Alles Weibliche erscheint unerklärlich. Auf einem Blatt zerfällt
schon der Versuch der Beschreibung des Weiblichen in seine einzelnen Schriftzeichen.
Es bleibt eine ausgetrocknete Buchstabensuppe. Ein Mann schwenkt eine
Botschaft wie eine Fahne. Das lateinische Wort
für Kunst lässt höheren Sinn vermuten. Die Frau ist mäßig
beeindruckt. Der Mann geht. Die Frau bleibt rauchend im Bett in dem Zimmer
mit dem Alpenpanorama. Nachmittags sitzt sie am Strand und friert, und
nachts macht sie noch einen Spaziergang und isst aus einer Packpapiertüte
Kirschen.
Unterdessen geht die Geschichte an anderen Orten weiter. Ein treffendes
Symbol für die verrinnende Zeit und die Härte der Arbeit, die
in der Zeit Schichten der Historie hinterlässt, ist die Zeichnung
mit dem angebissenen Tortenstück. Die Konditorware hat die Melancholie
eines verlassenen Steinbruchs.
Der Mann widmet sich derweil seiner Erfindung, dem Düsenflugzeug,
dessen Steuerung offensichtlich durch eine Wäscheleine läuft.
Auf einem anderen Blatt sieht man einen Verkehrsunfall, das sagt uns:
Das Auto ist die Titanic des kleinen Mannes.
Signifikant ist die Zeichnung, auf der der Mann seinen Unterleib verliert
und den Platz des Fernsehers einnimmt. Hier wird das brechtsche Diktum
illustriert, dass jeder Empfänger zum Sender werden soll. In der
einen Hand hält der Mann ohne Unterleib noch die Fernbedienung, in
der anderen eine Signalflagge. Laut internationalem Flaggenalphabet übermittelt
sie die Botschaft: My engines are going full speed astern. Der Einstieg
in die virtuelle Kommunikation eines jeden mit jedem beginnt mit einem
vollen Schub zurück. Das Einzige, was die Fernbedienung, die offensichtlich
noch Signale aussendet, noch erreichen kann, ist der jetzt herrenlose
Unterleib. Das Blatt lässt einige Fragen offen. Bezeichnend ist auch,
dass sich die Szene an einem Strand abspielt und nicht im Wohnzimmer,
wo sonst der Fernseher steht. Der Strand ist der symbolische Ort des Schiffbruchs
und der Begegnung mit fremden Kulturen. Der Empfänger, der Konsument
virtueller Bespaßung, der seine passive Rolle aufgibt, hat offensichtlich
große Scheu vor dieser Welt, in der er jetzt zum Akteur geworden
ist. Mit der Verwendung der Signalflagge benutzt er einen Code des neunzehnten
Jahrhunderts, um seine Zurückhaltung und Harmlosigkeit zu signalisieren.
Dies ist ein altes Ritual. Captain Cook und der Häuptling der Eingeborenen
gehen mit offenen Händen aufeinander zu. Ihren Truppen geben sie
zu verstehen, die Waffen niederzulegen.
Bei aller Präzision der Liniearzeichnung und Ausgewogenheit des
Kolorits, Götzes Blätter haben etwas Verschlossenes. Dies gilt
auch für die drei Blätter, die für den möglichen Schluss
einer Erzählung stehen könnten. Wir haben erfahren, dass es
einen Helden gibt, der Orte, Kostüme, Ausrüstungsgegenstände
und Betätigungen in Windeseile wechseln kann. Er ist auf der Suche.
Was er wirklich sucht, erfahren wir nicht.
Auf einem Blatt hat er einen Edelstein gefunden - wieder ein Synonym
aus einem geschlossenen Zeichensystem. Der Stein ist ein Stein. Seine
Schönheit ist keine Gewähr, dass er auch Weisheit trägt.
Auf einem anderen Blatt ist der Mann auf seinem Ikea-Sessel eingeschlafen
und träumt von skandinavischen Fjorden. Seiten weiter wird es Nacht.
Die Nacht scheint kalt und die Atmosphäre glasklar, die Krater des
Mondes quellen hervor. Eine Büste ist von ihrem Sockel gestoßen
und schließt ihre Augen zu wohlverdienter sanfter Ruh. Ende und
Anfang.
Rüdiger Giebler, Mai 2000
Moritz Götze - Abbildungen
   
   
   
Kosmischer Staub, 2005
Zeichnung, Mischtechnik
ca 60 x 35 cm
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