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Ludwig Harig

Biografie     Werkbeschreibung     Texte

 

Ludwig Harig - Biografie

*18.Juli 1927 in Sulzbach/Saarland, lebt und arbeitet in Sulzbach/Saarland


30.12.2004, am Schreibtisch bei der Arbeit an seinem neuen Roman

Ab 1950 Volksschullehrer.
Seit 1974 freier Schriftsteller.
Poetik-Gastdozent an den Universitäten von Austin/Texas, Frankfurt/Main, Saarbrücken, München.

Arbeitsgebiete: Gedicht, Erzählung, Essay, Roman, Hörspiel, Übersetzung, Kritik

Auszeichnungen/Ehrungen/Preise (Auswahl):
Heinrich-Böll-Preis. Hörspielpreis der Kriegsblinden. Hölderlin-Preis (1994).
Mitglied im "Forum Stadtpark" von Graz, des P.E.N.-Zentrums und der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung.

Veröffentlichungen (Auswahl):
Sprechstunden für die deutsch-französische Verständigung, Roman (1971). Allseitige Beschreibung der Welt, Roman (1974). Die saarländische Freude (1977). Rousseau (1978). Der kleine Brixius (1980). Trierer Spaziergänge (1983). Ordnung ist das ganze Leben, Roman (1986). Hundert Gedichte (1988, Hanser). Weh dem,der aus der Reihe tanzt, Roman (1990). Wer mit den Wölfen heult,wird Wolf, Autobiografischer Roman (1996, Hanser). Da fielen auf einmal die Sterne vom Himmel (2002, Zu Klampen). Und wenn sie nicht gestorben sind, Roman (2002, Hanser). Im Geschwirr der Eisenblätter, Lieder+Balladen (2002, Gollenstein-Verlag). Wer schreibt,der bleibt, Aufsätze+Vorträge (2004, Hanser - Hrsg. von Werner Jung). Sterne hab ich gezählt, Geburtstagsrede für Johannes Kühn (2004, Verlag Ulrich Keicher).

Ludwig Harig - Werkbeschreibung

 

Ludwig Harig - Texte

ausstellungseröffnung

sobald das schweigen beginnt muß ich vom malen reden
sobald das schweigen malt muß ich vom beginnen reden
sobald das schweigen redet muß ich vom beginnen malen
sobald das beginnen schweigt muß ich vom malen reden
sobald das beginnen malt muß ich vom schweigen reden
sobald das beginnen redet muß ich vom schweigen malen
sobald das reden schweigt muß ich vom beginnen malen
sobald das reden beginnt muß ich vom schweigen malen
sobald das reden malt muß ich vom schweigen beginnen
sobald das malen schweigt muß ich vom beginnen reden
sobald das malen redet muß ich vom schweigen beginnen
sobald das malen beginnt muß ich vom schweigen reden
sobald das schweigen beginnt muß ich vom reden malen
sobald das schweigen malt muß ich vom reden beginnen
sobald das schweigen redet muß ich vom malen beginnen
sobald das beginnen schweigt muß ich vom reden malen
sobald das beginnen malt muß ich vom reden schweigen
sobald das beginnen redet muß ich vom malen schweigen
sobald das reden schweigt muß ich vom malen beginnen
sobald das reden beginnt muß ich vom malen schweigen
sobald das reden malt muß ich vom beginnen schweigen
sobald das malen schweigt muß ich vom reden beginnen
sobald das malen redet muß ich vom beginnen schweigen
sobald das malen beginnt muß ich vom reden schweigen

Entstehungsjahr 1969

Rede zur Ausstellung "AUS DER SERIE" (Januar 2005)

Ludwig Harig
Seltsames Verhältnisspiel der Dinge
Ausstellungseröffnung "Aus der Serie 2"

das was ist
was ist das
ist das was
ja,das ist was

Es ist, meine Damen und Herren, ein kleines Frage- und Antwortspiel , zustande gekommen durch die Vertauschung dreier Wörter im Satz: Es ist die Frage nach der Realität des Seins und zugleich die bestätigende Antwort.

das was ist
was ist das
ist das was
ja, das ist was

Ich bin hoch erfreut, daß die Kunst auf ein Thema der Darstellung zurückgekommen ist, das die Malerei, die Musik und die Literatur in den fünfziger und sechziger Jahren stark beschäftigt und geprägt hat. Es ist das Thema der Serie. Wir alle wissen aus Erfahrung: Eine Serie ist die regelmäßige Folge, die Aneinanderreihung gleicher oder auch ähnlicher Dinge -, oder, wie es in der Mathematik heißt, die regelmäßige Folge gleichartiger Elemente. Das können Briefmarkensätze, Sammeltassen, das können in der Herstellung Kühlschränke oder Fernsehgeräte, das können Rundfunksendungen, Zeitungsartikel, Verkehrsunfälle sein. In der Ausgabe von 1905 des Deutschen Wörterbuchs der Brüder Grimm folgen wir der Definition, daß jedes einzelne Element oder Glied einer solchen Reihe selbständig existent ist, aber doch zusammen ein Ganzes bilden sollte.

Ohne jetzt Forschung nach der Herkunft des Wortes "Serie" betreiben zu wollen, möchte ich doch erwähnen, daß seine Herkunft aus dem Griechischen und Lateinischen ins Mittelhochdeutsche übergewechselt ist und seine Bedeutung von Reihe, Folge, Streifen bis zu den miteinander verknüpften Losstäbchen für das Schicksalsorakel reicht. Serie ist also ein Wort, das in seiner Bedeutung zugleich ganz alltägliche Dingverknüpfung wie auch Schicksalsverknüpfung meint, Realistisches benennt und Mythologisches beschwört.

Wenn wir den Sinn des Begriffs deuten wollen, befragen wir am besten die in Serie auftretenden Erscheinungen nach ihren Namen. Bleiben wir für einen Augenblick bei der bildenden Kunst. Ihrem Namen nach sind die auf Linie gebrachten Steine von Carnac in der Länge und Breite neben- und hintereinandergegliederte Hünensteine. Ihr Standort Carnac ist benannt nach dem keltischen Wort carns, Steinreihe. Es sind Menhire bis zu dreizehn nebeneinander stehend, ein Kilometer und zweihundert Meter in der Länge.

Bildende Kunst, Architektur und Bildhauerei haben sich von Anfang an mit dieser verlockenden Erscheinung der Serie beschäftigt :Die Säulen des Altertums, die Kolonnen von Bernini, Monets Bildfolge der Kathedrale von Rouen, das Steinfeld zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus in Berlin -und nicht zu vergessen die hier in der Galerie gezeigten Arbeiten in drei Folgen: Baumreihen und Treppenstufen, stereometrische Abwandlungen und vom Computer ausgedruckte poetische Variationen, Kosmogonien und Metamorphosen. Sie alle folgen der vielfältigsten Auslegung des Begriffs und. des Prinzips der Serie - und wie Sie sehen: Sie haben alle etwas mit der Mathematik zu tun. Die Kolonne ist ihrem Namen nach eine Zahlenreihe, die Kosmogonie ist die folgerichtige Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte des Weltalls und die Metamorphose eine in ihr stattfindende fortschreitende Verwandlung von Einzelwesen in Serie. Wir kennen diese seriellen Verwandlungsspiele aus der griechischen Mytho-logie. Dort heißt es an entscheidender Stelle von Dädalos, dem genialen attischen Künstler, der sich selbst und seinen Sohn mit Flügeln versieht: Er "wandelt den Sinn der Natur". Es ist nun auch interessant zu sehen und zu hören, wie Sprache sich verhält, wenn sie dem Prinzip der Serie und nicht mehr den grammatischen Regeln folgt. In den fünfziger Jahren bin ich als Schriftsteller selbst mit diesem wunderbaren Regelwerk der Serie bekannt geworden. In der Stuttgarter Schule des Philosophen und Dichters Max Bense habe ich mich leidenschaftlich auf die aus der Mathematik entwickelten Formspiele der Poesie gestürzt. Wunderbar, sage ich und ich beziehe mich dabei auf die deutsche Romantik, der am wenigsten ihre Nähe zur Mathematik zugetraut wird. Novalis, der Romantiker an und für sich, schreibt: "Wenn man den Leuten nur begreiflich machen könnte, daß es mit der Sprache wie mit den mathematischen Formeln sei; sie machen eine Welt für sich aus -, sie spielen nur mit sich selbst, drücken nichts als ihre wunderbare Natur aus, und eben darum sind, sie so ausdrucksvoll -, eben darum spiegelt sich in ihnen das seltsame Verhältnisspiel der Dinge." Die beiden Schreibmethoden, mit denen ich zwei Jahrzehnte lang gespielt und, experimentiert habe, sind, die Wortvertauschung - wie man die Permutation - und der Satzbruch - wie man den Anakoluth nennt. Beides sind Schreibformen, die in der Serie auftreten und das "seltsame Verhältnisspiel der Dinge" widerspiegeln, wie Novalis sagt. Ich habe damals begriffen, daß die feinsten Sprachgebilde der Poesie unter dem Zwang des konventionellen Satzbaus die Züge ihrer Eigenart, festen und Gebärden ihres Anliegens, alle Merkmale ihres besonderen Ausdrucks verlieren. Dazu gehört all das, was sich am sinnvollsten in der Serie ausdrückt.


Wortvertauschung und Satzbruch sind nicht rein experimentelle Sprachübungen geblieben. Ich habe in den sechziger Jahren damit begonnen, diese beiden Spielmethoden als erzählerische Vorgänge zu begreifen. Sowohl Permutation wie auch Anakoluth haben in größeren Texten ihre Erzählkraft erwiesen und sind schließlich zur Erzählsprache geworden. Dabei ist die Permutation in ihrer methodischen Reinheit Sinn- und Bedeutungsträger realer serieller Abläufe - und auch der Satzbruch, der den Vorgang der Metamorphose nicht beschreibt und erklärt, begreift sich selbst als Metamorphose, indem er von seinem Verständnis her das sprachliche Äquivalent, nämlich die poetische, Entsprechung der realen und mythologischen Verwandlung ist. Poetische Gestalt in der Serie expliziert nicht das Wesen der Serie, sondern ist als poetisches Sein selbst existent in der Serie.

immer schön der reihe nach
folgen wörter glied bei glied
doch der dichter brachte schmach
weil er die grammatik mied
und den sinn der sätze brach

freies tun schafft ungemach
auch beim braven töneschmied
wenn er seine noten stach
und so folgt der ton im lied
nimmer schön der reihe nach